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Im Museum Barberini: Milliardärsbilder

"Die ideellen Kunstbanausen lassen sich auch jede Platon-Höhle aufschwatzen. Millionärsbilder. Pfui!“ schreibt ein Kommentator unter die Berichterstattung von dem großen Interesse am Museum Barberini. Milliardärsbilder, wenn man es genau nimmt. Aber kommen wir später darauf zurück. Auch ich war skeptisch, was die vom Museum Barberini ausgestellten Werke betrifft. Allerdings weniger, weil die Werke und das Museum von einem Milliardär, dem SAP-Gründer Hasso Plattner, gestiftet wurden, als wegen des Schwerpunkts der Sammlung selbst: dem Impressionismus. Schon zu Schulzeiten fand ich die Impressionisten irgendwie langweilig. Ihre Bilder, auf deren Hauptwerken sehr schöne Seerosen oder Mohnblumen in flimmerndem Licht den Betrachter bezaubern sollten, kamen mir einfach stupide vor. Zumindest glaubte ich das. Vielleicht waren sie mir aber auch nur deshalb langweilig, weil es Konsens war, sie schön zu finden. Sogar in der Küche meiner Oma hing ein Bild von Monet als gerahmtes Poster an der Wand. Auf unzähligen Postkarten oder sonstigen Merchandising-Artikeln besiedelten sie großelterliche Flurgarderoben, Anrichten oder Pinnwände. Die Bilder der Impressionisten: sie waren einfach zu gefällig. Es musste doch mal wieder jemand dagegen sein. Auch als ich im Studium lernte, wie revolutionär diese Bilder gewesen sein sollten, wurde ich dieses missgünstige Gefühl den Impressionisten gegenüber nicht los. Jenseits der Salonmalerei galten ihre Arbeiten als erste Schritte in die Abstraktion, als Wegbereiter in die Moderne. Die Impressionisten arbeiteten nicht mehr im staubigen Atelier, sondern im Freien, lernte ich. Nicht mehr lange Zeit an einem größeren Werk, sondern an vielen Bilder und Studien in Serien. Sie standen für freies, intuitives und vor allem individuelles Arbeiten, die Salonmaler hingegen für engstirniges und penibles Planen und das Festhalten an überkommenen Traditionen. Ja, der Impressionismus war etwas ganz Neues, er war Avantgarde, wenn er auch aus heutiger Sicht nicht so aussieht. Und in gewisser Weise brachte er das Paradigma des Neuen in die Kunst der Moderne. Trotzdem: Als der Instagram-Account „Renoir Sucks at Painting“, veröffentlicht wurde, fühlte sich das befreiend für mich an. Endlich sagt mal jemand, wie blöd viele Bilder eigentlich aussehen. Wie hässlich sie sind. Wie sehr sie alle miteinander verklärt wurden.

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Womit wir wieder bei den Milliardärsbildern wären. Denn ein Renoir, übrigens ein ziemlich guter Renoir, den ich gar nicht hässlich finde („Die Loge“ von 1874), hängt im Trump-Tower, im Büro von Melania. Ein Bild, auf dem Melania vor dem Renoir-Bild posiert, befindet sich wiederum auf dem „Renoir sucks at Painting“-Instagram-Account, und ein Kommentar zu dem Bild lautet: „Trump has terrible taste in art. And everything in general. Barfff.“ Das soll repräsentativ an dieser Stelle stehen, für die zahlreichen Texte und Kommentare, die zu Trumps schlechtem Geschmack verfasst wurden. Meistens zielen sie jedoch auf den Prunk ab, der in seinem Trump-Tower zelebriert wird. Auf das Protzen mit Gold, das so 17. Jahrhundert ist, aber auch interessant, weil daran so schön sichtbar wird, was sich jene Menschen eigentlich unter Reichtum, Kunst und Geschmack vorstellen, die nicht in einer linksorientierten-postmodernen-Intellektuellen-Blase leben. Das Renoir-Bild oder insgesamt die Bilder des Impressionismus als beliebte Sammel-Objekte von Milliardären vom Typ Trump haben mich jedoch zunächst irritiert, weil sie auf den ersten Blick nicht unbedingt zum Barock-Kitsch à la Ludwig XIV. passen. Weil sie natürlich und hell und licht daherkommen und nicht schwer und golden und aufwendig. Glücklicherweise war ich zu einem Vorab-Besuch im Museum-Barberini geladen (Danke, Artefakt), eine Stunde vor Eröffnung des Museums. Dabei konnte ich mit einigen meiner Vorurteile und Vorüberlegungen aufräumen. Und zwar auch mit der eben gestellten Frage: Wieso befinden sich die Impressionisten inmitten von Barock-Mobiliar? So waren das erste, was mir ins Auge fiel, die wuchtigen barock-verzierten Goldrahmen, die sich um die helle Freilichtmalerei legen. Sollten diese Rahmen von Hasso Plattner ausgesucht worden sein? Im Katalog waren sie – wie so oft – jedenfalls nicht abgebildet. Ich fragte also nach, weil uns glücklicherweise die Direktorin, Ortrut Westheider, durch die Ausstellungen führte. Sie war sichtlich erfreut über die Frage (ob die Rahmen original, also unter Mitwissen der Künstler entstanden seien) und antwortete zu meiner Überraschung mit ja. Sie bemerkte natürlich meinen verwirrten Blick und hielt mir die Erklärung auch nicht lange vor: Die Bilder der Impressionisten wurden als eine neue Barockmalerei diskutiert, setzen sie in ihren Werken doch das Interesse ihrer Vorgänger an der unmittelbaren Erscheinung, an Licht, Schatten und Farben fort. Tatsächlich ist mir das Zusammendenken von Barock und Impressionismus schon von Heinrich Wölfflin bekannt, der in seiner Arbeit über die „Kunstgeschichtlichen Grundbegriffe. Das Problem der Stilentwicklung in der neueren Kunst“, 1915 erstveröffentlicht, im Barock bereits den Impressionismus zu erkennen glaubte: „Ein Bild mit dieser verblüffenden Entfremdung des Zeichens von der Sache findet sich freilich noch nicht im Zeitalter Rembrandts, allein grundsätzlich ist der Impressionismus doch schon da.“ (1) Womit dennoch die Frage bleibt, inwieweit die Künstler sich selbst in einer solchen Tradition gesehen haben oder ob nicht doch die Wahl des Bilderrahmens eher als Festhalten am traditionellen Arthandling der Zeit zu deuten ist. Während der Barock bereits bei seiner Begriffsfindung im 18. Jahrhundert und vor dem Hintergrund der klassizistischen Kunsttheorie von Autoren wie Winckelmann oder Lessing als maßlos, verworren und bizarr empfunden wurde, führte die Rezeption des Impressionismus durch Wöllflin und Riegl zu einer Umdeutung und Umwertung der Barockkunst. Im Gegensatz zum Impressionismus, der wegen der „Entfremdung des Zeichens von der Sache“, also beginnender Abstraktion, irritierte und unnahbar erschien, galt der Barock plötzlich als klar und verständlich. So wie der Impressionismus wohl heute für viele als klar und verständlich wahrgenommen wird, etwa vor der Folie von Konzeptkunst oder vielen anderen Werken der Gegenwart. Wie das eben so ist: das frühere Neue ist das heutige Alte. Das war dann im Übrigen auch meine Überraschung im Museum Barberini, weil mir schlagartig deutlich wurde, mit welcher Engstirnigkeit ich den Impressionismus für langweilig befunden hatte. Und vor allem aus welcher Haltung heraus, nämlich einer, die glaubt, dass das Alte nie so interessant und vielversprechend ist, wie das Neue, einer Haltung, die sich auf eine „Seite“ schlägt und genau zu jenen festgefahrenen Diskursen und polarisierenden Emotionen führt, wie sie für die letzte Zeit, vor allem aber für die Auseinandersetzung mit Donald Trump als US-Präsidenten zu diagnostizieren ist. Es ist einfach nur die Gegensatzhaltung zur Früher-war-alles-besser-heute-leben-wir-schlecht-Haltung. Ich weiß, das ist bekannt und eine langweilige Feststellung an dieser Stelle, aber eben umtreibend. Wenn man jedenfalls ehrlich ist, kann man vom Museum Barberini auch nur sagen, dass es fantastische Werke ausstellt, darunter viele unbekannte, und diese großartig inszeniert. Und dank der thematischen Räume, die sehr klar sind, kann man einige Beobachtungen machen. Etwa, dass der Impressionismus gar nicht so sehr auf die Gegebenheiten des Vorhandenen vertraut hat, wenn sich ihre Vertreter sehr aufwendige Gärten angelegt haben, nur um diese wiederum abmalen zu können. Geplant wurde also trotzdem – nur vor dem Bild und nicht währenddessen. Die Milliardäre Trump und Plattner haben gemein, dass sie in verständliche und auf dem Kunstmarkt etablierte Werke setzen und nicht mit dem Neuen spekulieren. Möglich ist aber auch, dass Trump etwa das Renoir-Gemälde wegen seines Rahmens erworben hat, Plattner hingegen wegen seines kunstgeschichtlichen Wertes. Denn weil die Bilder niemals mit Rahmen abgebildet sind, assoziiert man sie hierzulande auch nicht wirklich damit. Und so haben umgekehrt der Barock und der Impressionismus ganz zufällig gemein – um auf das eingangs zitierte Kommentar zurückzukommen –, dass ihre Werke Milliardärsbilder sind. (1) Heinrich Wölfflin: Kunstgeschichtliche Grundbegriffe. Fundus. S. 31.

 
 
 

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