Branded Memes
- annekathrin kohout
- 26. März 2017
- 4 Min. Lesezeit
Eine alte Geschichte lebt in den Diskussionen über die #TFWGucci-Kampagne wieder auf: die Geschichte von einer Subkultur, die sich von den ganz großen Firmen okkupieren lässt, von einer Szene, die zum Mainstream wird. Alessandro Michele, der seit 2015 Kreativdirektor bei Gucci ist, hat für die Bewerbung der aktuellen Uhren-Kollektion mit unzähligen Social-Media-Kreativen zusammengearbeitet, darunter den Betreibern von @champagneemojis, John Trulli (@cabbagecatmemes), John Yuyi (@johnyuyi), Olaf Breuning (@olafbreuning), Mitra Saboury und Derek Paul Boyle (@meatwreck), William Ndatila (@williamcult) und Alec Soth (@littlebrownmushroom). Entstanden ist eine Kollektion von Memes, die einerseits selbstironisch die Marke Gucci und ihre Kunden reflektieren, andererseits eine perfekte Imitation gegenwärtiger Kommunikation im Social Web darstellen – wofür es im Marketingbereich noch kein Äquivalent auf dem selben hohen Niveau zu geben scheint.
Auf einer eigenen Website präsentiert Gucci die jeweiligen Meme-Produzenten in einer Art Online-Galerie. Jeder Mitwirkende hat eine eigene „artist page“ bekommen, unter der eine Kurzbeschreibung seiner Arbeit mit der Bildstrecke, die für Gucci entstanden ist, erscheint. Der einleitende Text zur „Ausstellung“ ist eine Definition des Begriffs „Meme“: „Memes — images or animated GIFs, often with text splashed across them — are the common currency of social media, passed from user to user millions times a day. New memes constantly emerge and old ones remixed. It’s not just familiar standards like Grumpy Cat or Doge. Visual artists now create memes as a unique form of communication, seeding their ideas across the Internet.“
Und tatsächlich zeigt sich die Kampagne, die vor allem auf Instagram große Resonanz erfährt, als ein ausgewählter Querschnitt durch die verschiedenen Genres und die Geschichte von Internetmemen.
So finden sich unter den verschiedenen Arbeiten zum Beispiel Art-Memes:
Bilder, die mit (bisher nicht vorhandenen) Emojis kommentiert werden:
Oder Kick-Off-Bilder:
Aber vor allem wird auf berühmte Beispiele aus der Meme-Geschichte referiert, was zugleich bedeutet, sich „einfach“ an einem bestehenden Meme zu beteiligen. Zum Beispiel, wenn Benjamin Langford mit seiner Arbeit an das berühmte „Arthur’s Fist“-Meme anschließt, ein Reaction-Bild, das aus einer 1999 ausgestrahlten Kinderfernsehserie entstammt. Zum Meme wurde das Bild 2016 in einem Reddit-Gespräch, das wiederum Anlass zu einem eignen Twitter-Account wurde: „Arthur__Hands“.
Der erste Screenshot von Arthurs Faust hatte ein Twitter-User gepostet und in ihm bereits das Potential zum Relatable-Post erkannt, was zugleich als Aufforderung zum Meme verstanden werden konnte:

Was die Gucci-Kampagne betrifft, so fällt insgesamt die Referenz auf einen ganz bestimmten Meme-Typ, die sogenannten „realtable quotes“, ins Auge. Sie bestehen üblicherweise aus einer Textzeile und einem Reaction-Gif oder -Bild. Zum Beispiel:
Dass man diese Meme als „relatable-quotes“ bezeichnet, geht vor allem auf den Erfolg von Zach Lilley und Jeremy Greenfield zurück, die 2012 und mit jeweils 15 Jahren einen Tumblr-Blog mit dem Titel „So-relatable“ gegründet haben. Dort wurde die Kombination aus Textzeile und Reaction-Gif als eigenständiges Format etabliert. Jedes Relatable-Quote wurde zudem mit einer eigenen Nummer versehen:

Der große Erfolg des So-Relatable-Tumblrs – glaubt man der Nacherzählung der Karriere von Elspeth Reeve in ihrem legendären Longread "The Secret Lives of Tumblr Teens", hatte der Tumblr nach nur einem Monat 20.000 Follower – war vor allem auf die Selbstreflexion der Community als Internet-Nerds zurückzuführen. So lautete eine der ersten Relatable-Quotes „When internet stops working for 5 seconds, so does my heart.“ Mit dickgedruckter Schrift anstelle des sonst verorteten Bildes.
Und für genau dieses Selbstverständnis interessiert sich Gucci. Anders als die konkurrierenden Modelabels, die etwa durch eigene Emoji-Sets zwar auch die Netz-Welt adressieren, adaptiert Gucci offensichtlich keine etablierten Social-Media-Formate, sondern solche, die gegenwärtig noch einiges an meme-geschichtlichem Vorwissen abverlangen. Solche also, die noch immer als Insider-Humor gehandelt werden und mit deren Hilfe sich das Unternehmen die Aura des „Nerdigen“ zu verleihen versucht.
Das ist im Grunde eine bewährte Exklusivierungsstrategie. Die Inszenierung der Insider-Netz-Community dürfte bei den Gucci-Kunden zunächst Unverständnis, dadurch aber auch ein Interesse an der Kunsthaftigkeit der ihnen nicht vertrauten Nerd-Kultur erzeugen. In ihren Augen wird das Alte durch etwas Neues abgelöst, weshalb die Kampagne in Modezeitschriften und von Autoren, die keine bekennenden Digital Natives sind, weitestgehend positiv rezensiert wird. „Meme culture officially reached new heights today with the introduction of Gucci memes.“, heißt es etwa in Harper’s Bazaar.
Anders in der Netzwelt: Für jüngere Autoren gilt die eingangs beschriebene Geschichte, nämlich dass ihre Ausdrucksformen nun in schlechten Varianten von großen Firmen besetzt werden. So wird die Kampagne aus dieser Perspektive als krampfhafter Versuch wahrgenommen, eine jüngere Käuferschaft zu gewinnen: „it comes off as cringe-worthy, awkward and, to be honest, a lot less fun.“
Allerdings macht Gucci diese Rezeption ihrer Kampagne in einer von Sebastian Tribbie Matheson gestalteten Collage in gewisser Weise wieder hinfällig, in dem sie bewusst beide – Insider wird Outsider – adressiert: The „GUCCI“ Starter Pack. Darauf abgebildet ist ein Foto von Petra Collins, einer Ikone des Netzfeminismus, die schon seit längeren für Gucci modelt, zudem eine Gucci-Uhr und Screenshots von Google-Suchfeldern und Messenger-Gespräche. Vor allem aber sind diverse Werkzeuge abgebildet, mit deren Hilfe man ein witziges Bild oder Meme auch selbst produzieren könnte: Sprühfarbe, Sticker, Glitzer oder klassische Bilder der Kunstgeschichte.
Einerseits ist „The Starter Pack“ ein klassisches Meme-Format, dass dem Prinzip folgt, jeweils Bilder und Objekte zu versammeln, die ein bestimmtes Stereotyp oder einen bestimmten Style repräsentieren und zugleich ironisch kommentieren. Und somit „a sort of digital high five“ an alle, die das Meme verstehen.
Andererseits ist die Gucci-Starter-Pack-Collage eine humorvolle Adressierung an all jene, die nicht zum engen Kreis der Insider gehören.
Den Vorwürfen seitens der Netz-Community zum Trotz, handelt es sich hier um die perfekte Social Media Kampagne.
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