Discover Tumblr | Hidden Bodys
- annekathrin kohout
- 18. Okt. 2015
- 3 Min. Lesezeit
In kaum einem Bild drückt sich Erotik und Verführung so stark aus wie im Filmplakat zu „American Beauty“ von 1999. Die Schauspielerin Mena Suvari räkelt sich in einem Bett aus Rosenblättern, die zugleich ihre begehrenswerten Körperstellen bedecken. Die Rosenblätter über den Brüsten lassen das Darunter erahnen. Das Plakat ist der Inbegriff einer Erotik, die durch das Verbergen entsteht. Von einer Abwesenheit der Objekte der Begierde, durch die umso deutlicher ihre Präsenz erzeugt wird. Gerade im Verzicht darauf, alles zu zeigen, liegt die Spannung begründet. Im Geheimnis liegt die Abgründigkeit des Sexuellen.
Das Filmplakat wurde immer wieder parodiert, man kann beinahe von einem Mem sprechen, das sich daraus entwickelte. Im letzten Jahr hat Heidi Klum dieses Bild für das Plakat zu ihrer Jubiläumssendung von „Germany’s next Topmodel“ adaptiert. Nur dass sie diesmal nicht in einem Rosenbett, sondern einem Kuchenbuffet liegt, bedeckt von einem roten Tuch. Das assoziative Spiel ist so oberflächich und eindimensional, die Haut so glattretuschiert, dass für Erotik nur wenig Platz ist. Das Jubiläumslächeln hat nichts mit der in dem referierten Film thematisierten Abgründigkeit gemein, ebenso wenig wie mit dem Modegeschäft, dessen Mechanismen es in der Sendung von den Kandidatinnen zu erlernen gilt. Das Geheimnis des nur leicht verdeckten Körpers ist hier eine Offenbarung der Inszenierung von Sexualität.
Eine von vielen jungen Fotograf/innen, die sich gegen oberflächliche Inszenierungen von Sexualität wendet, ist Petra Collins. "Ich will die Wirklichkeit aus Sicht von Mädchen zeigen, nicht die geschönte Projektion auf sie" - so beschreibt Collins selbst ihre Motivation. Nicht selten kommt sie dabei in die Nähe eines Charlotte-Roche-Feminismus, der sich dadurch auszeichnet, dass zwar (Ekel-)Grenzen überschritten werden, dabei aber trotzdem noch die Weiblichkeit zelebriert wird. Insbesondere ihre eigene T-Shirt-Kollektion erregte Aufmerksamkeit. Darauf abgebildet ist eine menstruierende Vagina.
Auch auf ihrem Tumblr „girls and guns“ spielt das Verhältnis von Freizügigkeit und Verbergen im Kontext von Erotik eine zentrale Rolle. In den darin versammelten Bildern und ihrer Konstellation drückt sich Erotik nicht im Begehren aus, sie erzeugen dieses auch nicht. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie als Kritik an dem Begehren von Schönheitsidealen gedacht sind und das Verbergen insofern thematisiert wird, als dass man darauf zeigt und damit alte Mechanismen zur Erzeugung von Erotik umkehrt.
Doch gerade auf sozialen Netzwerken wie Tumblr entwickeln eingängige Motive oft ein Eigenleben jenseits des originalen Kontextes. Zu einem solchen Motiv zählen vor allem versteckte Geschlechts- und Körperteile. Bei ihnen ist das Verbergen formal sichtbar und zum Versteckspiel geworden, das witzig ist und zum Nachmachen anregt. Besonders beliebt sind Blümchen auf der Vagina oder Früchte vor der Brust. Diese Bilder sind so bieder wie möglich, um nicht dem Vorwurf anheim zu fallen, den Körper auf seine Triebe zu reduzieren, und so sexy wie nötig, um sich dennoch zu seinen Trieben zu bekennen. Wirken viele dieser Bilder auf den ersten Blick also wie eine Reibefläche, sind sie auf den zweiten Blick ein gefälliger Kompromiss. (Manche wirken sogar wie eine Zensur).
Während ein verführerisches Frauenbild, wie es sich "American Beauty" zunutze machte, ein sexuelles Begehren provozierte und die Kritik an ebensolchen Bildern unreine Haut und Intimbehaarung wieder selbstverständlich gemacht hat, bleiben ihre Adaptionen oftmals zu formal. In deren Anblick wünscht man sich wieder mehr Emotionen. Oder auch ein bisschen Kritik. Vielleicht auch ein bisschen Begehren. Sie wecken die Sehnsucht nach der "schmutzigen Heiligen", die Robert Pfaller beschwor.
Sicherlich entfalten viele dieser Bilder erst in der Konstellation mit anderen eine Wirkung. Sicherlich sind viele der Bilder gut komponiert und fotografiert. Sicherlich haben sie ihre Berechtigung. Doch sobald sie als einzelne Fotos ihren Kontext verlassen - also eine Bildserie oder einen guten Tumblr - wirken sie hilflos und banal. Oder etwa nicht?
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