Facebook | "The Chromatic Diet" von Sophie Calle
- annekathrin kohout
- 26. Juli 2015
- 2 Min. Lesezeit
Seit Montag postet die Künstlerin Sophie Calle auf ihrem Facebook-Account stückweise eine Arbeit von 1998: „The Chromatic Diet“. Beginnend mit Orange, am Montag, endete die Diet am Samstag mit der Farbe Pink. Ist man mit dem Werk von Sophie Calle nicht allzu gut vertraut, wird man glauben, was man sieht: da macht jemand eine Diät nach Farben, die durchaus als konsequent bezeichnet werden kann. Nicht nur, weil das wenig kalorienreiche Essen sich tatsächlich zu einem monochromen Bild zusammenfügt, sondern weil diese Wirkung besonders durch passende Tischdecke und Geschirr erzeugt wird. Tischdecke und Geschirr - das hatte Paul Auster in seinem Roman „Leviathan“ vergessen, als er die Protagonistin Maria Turner eine „Chromatic Diet“ konzipieren ließ. Maria Turner ist eine Künstlerin, die bizarre Privatrituale durchführt - wie die einfarbige Ernährungskur - und für die Sophie Calle Pate gestanden hat. So hat Auster auch bereits existierende Kunstprojekte von Calle zitiert und sie unter fiktive gemischt. Das erfährt man nicht zuletzt in seiner Danksagung: „The author extends special thanks to Sophie Calle for permission to mingle fact with fiction.“ Fakt und Fiktion zu vermischen versteht auch Sophie Calle, die als Reaktion auf die Romanfigur von Auster sowohl die bereits in der Vergangenheit liegenden Projekte neu publiziert hatte, als auch solche nachträglich realisierte, die Auster in seinem „Leviathan“ erfunden hatte. Am Ende hat Calle alle Hefte zusammen unter den Titel „Doubles-Jeux“ herausgebracht. Im ersten Band „l’obéissance“ verdeutlicht Calle den Verweis zu Auster und spricht ihm gleichen Dank aus, wie er ihr: „L’auteur remercie tout spécialement Paul Auster de l’avoir autorisée à mêler la fiction à la réalité.“
„The chromatic diet“ gehörte zu einem jener Projekte, die Auster erfunden und Calle nach seiner Beschreibung ausgeführt hatte: ""
Das Recycling mittels Facebook ist eine stimmige Idee, insofern man auch Aktivitäten auf Sozialen Netzwerken als bizarre Privatrituale beschreiben kann. Und auch dort sind Fakt und Fiktion unüberwindbar miteinander verschmolzen. Deshalb glaubt man beim ersten Anblick auch, dass Sophie Calle diese Woche eine „Chromatic Diet" gemacht hat. Dass sie am Montag Karotten und am Samstag Rosé aus der Provence getrunken hat. Denn solchen Postings unterstellt man schnell das Prinzip „Live“, ohne sie auf ihren Fiktionsgehalt zu überprüfen. Die Arbeit funktioniert auch ein zweites Mal, auf und mit Facebook, sehr gut. Dafür braucht es weder den originären Kontext, noch Paul Auster. Dass diese Art von Dokumentieren und Präsentieren des eigenen Essen gegenwärtiger ist, denn je, zeigen auch die Kommentatoren, indem sie mit eigenen Foodspottings antworten.
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