Food Photography | Eine Zeitreise
- annekathrin kohout
- 14. Sept. 2015
- 3 Min. Lesezeit
"Foodies," "Food Porn" und "Food Spotting" - überall isst und fotografiert man. Kochbücher erleben seit Jahrzehnten eine Konjunktur und mit ihr auch die Food Photography. Das war aber lange Zeit nicht so. Überhaupt weiß man nur wenig aus der Geschichte dieses fotografischen Genres. „Ein Gott ist der Mensch, wenn er träumt, ein Bettler, wenn er nachdenkt“, zitiert Clemens Wilmenrod im Fernsehen Hölderlin. Wilmenrod ist 1953 der erste deutsche Fernsehkoch und als Erfinder des Toast Hawaii bekannt. In seinem TV-Spot „Die gefüllte Erdbeere“ erzählt er, wie ihm der kleine Hohlraum der Erdbeere auffiel, der entsteht, wenn man ihr Grün entfernt. Tagelang habe er überlegt, mit was man eine Erdbeere füllen könnte, als er eines morgens im Bett lag - gerade hatte er noch geträumt - und es ihm wie Schuppen von den Augen fiel: mit einer Mandel. Spätestens dann war klar: Kochen heißt auch kreativ sein. Zum Schöpfer wird der Mensch wenn er träumt, ein Paradigma, das heute ganz selbstverständlich anmutet. Kochkunst ist mehr Kunst, als Kochen. http://www.youtube.com/watch?v=IAQhpI9euwg Einen wesentlichen Beitrag zu dieser Vorstellung lieferte auch die Fotografie. Es erstaunt daher zunächst, dass erst seit den 20er Jahren regelmäßig Fotografien zur Illustration von Kochbüchern eingesetzt wurden. Ein Blick in die Gartenlaube - dem populärsten Familienmagazin des 19. Jahrhunderts - verrät, dass viel fotografiert wurde, nur kein Essen: Landschaften, Architekturen, Gedenktafeln, Reisen, Mode. Aber auch Romane wurden mit dokumentarischen Fotografien illustriert. Nahrungsmittel und Kochanleitungen blieben hingegen bilderlos, so als wollte man Großmutters Geheimrezept nicht weitersagen. Eine Koryphäe der Geschichte des Kochbuchs im deutschsprachigen Raum war die Schweizerin Frieda Nietlispach. In den 30er Jahren gab sie zahlreiche Kochbücher heraus, für die zunächst schwarz-weiß-, erstmals aber auch Farbfotografien zum Einsatz kamen. Ihre Leserinnen waren begeistert: „Diese Kochbücher wollen nicht nur das vernunftmäßige Kochen lehren, sondern sie werden auch Freude an der Speisezubereitung bei allen jungen Mädchen wecken und werden so mithelfen, dass das Kochen nicht als Qual und Last empfunden und die Hausfrauenarbeit mehr als bisher gewürdigt wird.“ Waren die hausfraulichen Arbeiten bis dahin also einfach zu trivial, als das sie sich einer Fotografie würdig erwiesen? Ist der Beginn der Food Photography womöglich sogar Zeichen eines frühen emanzipatorischen Aktes, der eine Aufwertung des Kochens zur Folge hatte? Im Vorwort ihres Hauptwerkes „Das Meisterwerk der Küche“, dessen Titel bereits auf den Werkcharakter der Kunst referiert, beschreibt Nietlispach die Funktion der Fotografien wie folgt: „Die zahlreichen Abbildungen von Menüs und Einzelspeisen wollen nach dieser Richtung Anregung geben. Sie sprechen ohne Worte lebendig über Zusammenstellung und Anrichten der Speisen und sollen das Verständnis für die Kochkunst und die Freude an ihrer Ausübung wecken und steigern.“ Sie benutzt den Topos „Bilder sagen mehr als tausend Worte“, um die Bilder mit einem Bildungsanspruch zu legitimieren. Gleichzeitig aber identifiziert sie eine Funktion, die schnell zur Selbstverständlichkeit werden sollte: Bilder sollen Anregung geben, eine Inspiration sein. Wie stark das Kochen dieser Zeit mit einem schöpferischen Akt assoziiert wurden, bezeugen auch die zahlreichen Fotografien, auf denen Hände das Essen zubereiten. Sie werden inszeniert wie die Hand Gottes oder die Hände von Malern. Außerdem wurden vor allem kalte Gerichte fotografiert oder solche, die sich aufwärmen ließen. Im Deutschland zwischen zwei Weltkriegen spielte man nicht mit dem Essen und schon gar nicht ließ man es verkommen. Vielleicht wurde Essen auch deshalb erst so spät zum Motiv der Fotografie. War es einfach zu wertvoll? Heute erlebt die Food Photography eine Konjunktur. Jedem erdenklichen Nahrungsmittel, jeder Saison und jeder Nationalität wurden bereits eigene Kochbücher gewidmet und immer neue Trends bestimmen den Kult um die Ernährung. Dabei sind es die Fotos, die den mit der jeweiligen Küche assoziierten Lifestyle zum Ausdruck bringen. „Du bist, was du isst“: das hat sich eingebrannt. Nicht zuletzt deshalb sind Food Photos auch so beliebt auf sozialen Netzwerken. „Food Porn“ betreibt man, wenn man im Grunde nur noch isst, um zu fotografieren. Mit „Foodspotting“ wurde diesem Bedürfnis eine eigene Plattform gegeben. Umso erstaunlicher, dass man nur wenig über die Geschichte der Food Photography weiss. Eine Auswahl an Fotografien von 1930 bis heute sollen einen kleinen Einblick gewähren, in eine Geschichte, die sehr vielseitig ist und zum Träumen anregt. Eine fundierte und umfangreiche Sammlung an Kochbüchern findet man im virtuellen Kochbuchmuseum.
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