Pioniere der Food-Fotografie: Christian Teubner
- annekathrin kohout
- 1. Feb. 2017
- 7 Min. Lesezeit
Zusammen mit Wolfgang Ullrich beginne ich in diesem Jahr eine Interview-Reihe, in der wir die Pioniere der Food-Fotografie treffen werden. Wir sprechen mit Fotografen, die im letzten Jahrhundert ein Genre entdeckt oder maßgeblich beeinflusst haben, das als solches bisher nur wenig Beachtung gefunden hat. Wie ist die Lebensmittel-Fotografie entstanden? Und wer hat die ästhetischen Standards, von denen Instagram-Foodies noch heute profitieren, gesetzt?
Unser erster Gesprächspartner ist Christian Teubner, der in den 1950er Jahren begonnen hat, Essen zu fotografieren. Mittlerweile hat dessen Tochter, Odette Teubner, die „Teubner Foodfoto GmbH“ übernommen. Das Studio der Familie sitzt in Füssen im Allgäu, es ist abgelegen und unauffällig. Dabei befindet sich in dem mehrstöckigen Fachwerkhaus nicht nur ein Fotostudio, sondern auch eine Küche, in der Köche aus aller Welt Gerichte zum Fotografieren bereiten. Als wir das Haus der Teubners betreten, duftet es nach Zimtschnecken.
CT: Nein. Nach dem zweiten Weltkrieg sind wir aus der Tschechoslowakei nach Deutschland gekommen. Das war 1946. Ich habe nach der Schulausbildung zuerst eine kaufmännische Lehre absolviert, denn damals gab es noch die Vorstellung, dass wir einfach wieder in die Tschechoslowakei zurückkehren würden. Und ich sollte das dortige Modegeschäft meines Vaters übernehmen. Deshalb wurde ich entsprechend ausgebildet. Doch die Arbeit gefiel mir nicht und lag mir auch nicht sonderlich gut, daher suchte ich etwas anderes, etwas Gestalterisches. Und mehr oder weniger durch Zufall habe ich eine Konditorei gefunden, bei der ich eine Lehre machen konnte. Meine Gesellenzeit verbrachte ich dann in Marburg, Stuttgart und in Genf. Nachdem ich meinen Meister gemacht habe, bin ich dann nach Füssen zurückgekehrt. Schon während dieser Zeit habe ich immer versucht, die Sachen, die ich produziert habe, zu fotografieren.
CT: Genau. In Füssen wurde ein neues Café eröffnet, wo sich mir die Möglichkeit bot, die Fotografien der Backwerke für mich zu verwerten. In Deutschland gab es vor allem eine wichtige Fachzeitschriften für Konditorei: „Konditorei und Café“ vom Matthaes Verlag in Stuttgart. Die wesentliche Fachzeitschrift in der Schweiz hieß „KoBa“, und für diese habe ich hauptsächlich gearbeitet – neben meinem Konditor-Job.
CT: Als die Konditorei, in der ich arbeitete, schloß – mittlerweile war ich auch verheiratet –, habe ich mich entschieden, die Selbstständigkeit als Lebensmittel-Fotograf einfach auszuprobieren. Zusammen mit meiner Frau habe ich versucht, das fotografische Material auch an fachfremde Branchen wie Frauenillustrierte zu verkaufen. Zum Beispiel an die „Constanze“ oder die „Brigitte“. Aber besonders auch an frühe Fernseh-Zeitschriften wie die „Hör Zu“.
CT: Ja. Aber das lag vor allem daran, dass sich das die Buchverlage auch noch gar nicht leisten konnten. Die Frage der Illustration war eine Frage der Druckkosten. Damals wurde das Meiste noch in schwarz-weiss gedruckt. Die „Hör Zu“ war eine der ersten Zeitschriften, die damals begonnen hatten, die Rezept-Seite mit entsprechendem Bild farbig zu drucken: Und zwar als einzige Seite, neben der für die Mode!
CT: Beides. Aber in erster Linie war es tatsächlich die große Nachfrage nach Illustrationen, mithilfe derer sich Zeitschriften auch besser verkaufen ließen. Sie brauchten Bilder und mussten sich auch überlegen, welche Themen sich für Illustrationen gut eigneten. Deshalb war es für uns von Anfang an wichtig, den Kontext, also den Grund für die Illustration mitzuliefern, indem wir Text, sprich Rezept, und Bild zusammen anbieten.
In unserer Firma, so bereits die anfängliche Vision, sollte alles möglich sein: Angefangen mit der Gestaltung von Rezepten, das Kochen und Backen bis hin zur Fotografie und letztlich zum Vertrieb und Verkauf. Schnell haben sich nämlich Agenturen gemeldet, mit denen es dann möglich war, von der Lebensmittel-Fotografie zu leben. Für eine Fotografie vom Matthaes-Verlag inklusive Rezept und Zubereitung gab es gerade einmal 20 Mark. Wurden wir über eine Agentur vermittelt, zahlte das jeweilige Unternehmen mindestens 500 Mark!
CT: In der Regel ja. Die Agenturen waren die, die eine professionelle Lebensmittel-Fotografie zum Leben gebracht haben. Und die Firmen, die dahinter standen, etwa Maggi oder Knorr, waren die eigentlichen Auftraggeber.
CT: Nein, so einfach kann man das nicht sagen. Aber generell war und ist es so, dass man bei den Bildern für die Werbung oder Lebensmittelindustrie die Bildrechte mitverkauft. Und bei Bildern für Magazin-Publikationen bleiben die Urheberrechte bei uns.
Das Thema Stock hatten wir von Anfang an im Blick. Denn schon während der Konditoreifotografie habe ich gemerkt, dass es möglich war, Bilder immer wieder zu verwenden und öfter zu verkaufen.
CT: Ja, das Konkurrenzverhalten war vorhanden. Aber unser Studio hatte lange Zeit einen Vorsprung, weil wir nämlich komplett liefern konnten: die Rezepte, die Herstellung des Essen und die Bilder. Für Magazine und Agenturen war das natürlich viel interessanter, weil günstiger und eine Arbeitserleichterung. Das hatten viele damals noch nicht. Zudem hatten wir das Stock-Prinzip schon etabliert. So kam es, dass sich die Bavaria-Bildagentur für unsere Bilder interessierte und sie für uns verkaufte. So ist Dr. Peter Weller auf uns aufmerksam geworden. Weller hatte bereits vor dem zweiten Weltkrieg für Bavaria gearbeitet. Er hat eine interessante Biografie, war er doch erst Philosoph, hat sich aber schließlich der Lebensmittelfotografie gewidmet - und zwar in Leipzig. Leipzig war vor dem Krieg das Zentrum der Lebensmittel-Fotografie. 1939 ist Weller dann nach Amerika emigriert, kam aber nach dem Krieg zurück nach Deutschland und ließ sich in Frankfurt nieder – denn die Stadt wurde nach dem Weltkrieg zum neuen Zentrum der Lebensmittel-Fotografie. Mit seiner damaligen Studioleiterin hat er sich dort dann wieder selbstständig gemacht. 1962 wollte er das Studio verkaufen und das hat der Bavaria-Verlag für ihn an uns vermittelt. Meine Frau und ich sind dann nach Frankfurt gezogen und haben dort für ein Jahr mit ihm zusammen gearbeitet, das war 1962.
CT: Peter Weller war gut, aber ein Vorbild war er nicht wirklich. Denn er hatte seine Studioleiterin, die eigentlich fast alles für ihn gemacht hat, Weller ist im Grunde nur zum Belichten ins Studio gekommen. Als er aufhörte und wir den Laden übernehmen sollten, stellte sich dann die Frage: In Frankfurt bleiben oder nach Füssen zurück gehen, und wir haben uns für Füssen entschieden.
CT: Tatsächlich stammen viele Vorbilder aus der Malerei, dort haben wir uns Ideen geholt. Außerdem hatten wir das Glück, dass wir selbstständig waren und selber entscheiden konnten, und das hat Spaß gemacht. Wir hatten damals wirklich noch viele Freiräume, da probierte man auch die aufwendigsten Stillleben aus. Nachdem wir von Weller zurück nach Füssen kamen, war unser Studio sehr professionell, und auch sehr aufwendige Arrangements ließen sich umsetzen.
CT: Wir selber haben viele stilistische Wandel durchgemacht. Es gab manchmal starke Trends – die auch oft von den Auftraggebern ausgingen und gezielt angefragt wurden. Und da mussten wir uns dann einarbeiten. Natürlich haben nicht immer alle mitgemacht, aber wir waren stets experimentierfreudig und offen für andere Linien.
CT: Wenn Sie Gräfe und Unzer erwähnen, müssen Sie uns im gleichen Atemzug mit nennen. Denn wir haben viel für sie gearbeitet. Und es war immer eine sehr gute Zusammenarbeit. Der Verleger, selbst Kunsthistoriker, hatte einen guten Geschmack, und man ließ sich gerne von ihm kritisieren.
CT: Ja, ich habe von der Dosenverpackung bis zum Kochbuch alles fotografiert.
CT: Doch, ein echter Konkurrent das war der Herr Zabert, der lange für Dr. Oetker fotografiert hat. Denn der hatte sehr gute Food-Stylisten – und damit etwas ganz Neues, denn vor den späten 1960ern gab es kaum Food-Stylisten.
CT: Nein, bei uns haben wir es immer so gehalten, dass jeder Mitarbeiter sein Werk selber inszeniert. Es sei denn, etwas kann von unseren Mitarbeitern handwerklich nicht umgesetzt werden, dann engagieren wir auch mal externe Stylisten. Zum Beispiel Eis-Stylisten.
CT: Ich sage Werk, weil es nie nur optisch stimmen musste, sondern auch geschmacklich. Damit meine ich ein Gesamtwerk. Ich denke, das war unser Erfolg, so konnten wir auch im Profibereich landen und gute Kochbücher machen.
CT: Das Pasteten-Buch! Das war das erste Buch, 1980, was wir völlig auf eigenes Risiko und ganz eigenständig gemacht haben. Und es ist erst letztes Jahr von einer neuen Version abgelöst worden.
CT: Die Technik verändert sich natürlich am schnellsten. Der Computer ist ein unglaubliches Hilfsmittel geworden. Früher musste eine Aufnahme von vornherein stehen. Und oft musste man mehrmals kochen, wenn etwas nicht funktioniert hat.
CT: Ja, das ist schon die Folge der Fotografie. Sicher ist man als Food-Fotograf ein Vorbild. Und die Köche haben sich, was das Food-Styling betrifft, auch sehr oft an uns orientiert. Allerdings gibt es heute wieder eine andere Tendenz, da auf der einen Seite die Profi-Technik sehr teuer geworden ist und es auf der anderen Seite viel schneller gehen muss, ist die Gestaltung des Essens wieder schlichter geworden.
CT: Wir haben nie ein Sterne-Kochbuch gemacht, sprich, dass wir nur für das Buch eines einzelnen Kochs fotografiert haben. Sondern es waren immer unsere Bücher, aber mit vielen prominenten Gästen und Kooperationen. Wir hatten Eckart Witzigmann zum Beispiel oft in der Küche zu Gast. Aber auch internationale Gäste waren hier und haben für unsere Bilder gekocht.
CT: Das ist ein Thema, auf das ich sehr allergisch reagiere. Denn bei uns ist das wirklich nicht der Fall. Unsere Gerichte kann man essen. Und es wäre eine Sünde, wenn nicht. So war immer schon unsere Einstellung. Eine zeitlang gingen diese Geschichten in der Presse und im Fernsehen herum. Aber genau das ist am Ende der Unterschied: Ob ich für das gesamtgestalterische Projekt verantwortlich oder eben „nur“ der Fotograf bin - und Hauptsache es ist schön. Außerdem haben wir ja auch die Rezepte mitentwickelt, und die mussten stimmen, da konnte eigentlich gar nicht gemogelt werden.
CT: Nein, das könnte ich nicht mehr erkennen, weil mit Fotobearbeitungsprogrammen sehr gut manipuliert werden kann. Aber vielleicht ist das Essen deshalb auch wieder weniger Manipulationen ausgesetzt: Eben weil man dank dem Computer in jedem Schritt alles verändern kann - und nicht nur bei der Zubereitung. Es ist daher vielleicht gar nicht mehr so notwendig.
CT: Die Food-Fotografie in Amerika war beispielhaft! Oft kamen deutsche Kunden mit amerikanischen Magazinen und wollten, dass wir es genauso fotografieren.
Von Frankreich kam komischerweise nichts. Wir hatten ja für unsere Bücher mit einigen französischen Köchen zusammen gearbeitet, und für die war unsere Arbeit mehr oder weniger neu.
CT: Es ist schon so, dass man auch dort schöne Fotos findet. Man kann ja mit dem Handy hervorragend fotografieren. Da ist es aber auch die Masse, die es interessant macht.
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